City Farm Schönbrunn-Gründer Palme: „Den Garten kann man nicht downloaden“


Gemüse ist eine Kostbarkeit

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Wolfgang Palme ist Gründer der City Farm Schönbrunn. Er erzählt, was Kinder beim Gartln lernen und erleben können.

Wo einst Kaiserin Sissi ihre Kühe weiden ließ, gedeihen heute Kresse, Kohlrabi, Karotten und Wildkräuter. Die Idee hinter der City Farm Schönbrunn: Stadtbewohner sollen wieder einen Bezug zur Natur gewinnen und Spaß am Gemüse haben. Wir haben heuer zu unserem 40jährigen Firmenjubiläum zehn Wiener Schulklassen eingeladen, ihr eigenes Gemüsebeet zu bestellen. Wolfgang Palme hat die City Farm Schönbrunn gegründet und erzählt uns im Interview, wie es dazu kam und was Kinder beim Gartln lernen und erleben können.

Herr Palme, Sie haben mit der City Farm Schönbrunn eine kleine Landwirtschaft mitten in der Stadt gegründet. Was ist die Idee dahinter?

Begonnen hat alles 2011 mit einem Projekt des Landwirtschaftsministeriums, in dem wir den „Junior City Farmer 2011“ gesucht haben. Der Wettbewerb war an Kinder gerichtet und hat eine Woche gedauert. Ich komme schon ursprünglich aus dem Obst- und Gemüsebau – hatte aber eigentlich nicht mit Kindern zu tun, sondern mit Fachpublikum. Die Idee zur City Farm Schönbrunn entstand, weil ich die Themen Gemüsevielfalt, biologischer Gemüsebau und alternative Anbaumethoden unter die Leute bringen wollte. Gemüse geht uns alle etwas an. Der Durchschnitts-Österreicher pflückt sein Gemüse allerdings aus den Supermarkt-Regalen. Das landwirtschaftliche Verständnis dahinter fehlt meist. 2010 habe ich dann die Gartenpädagogin Lisa Reck kennengelernt. Sie hat in Brooklyn in den USA bei genauso einem Garten mitgearbeitet, wo schon seit 1914 mit Kindern gegärtnert wird. Die Gemüsevielfalt ist mein Zugang und die Idee, das mit Kindern zu machen, kommt von Lisa. 2012 fiel dann offiziell der Startschuss zur City Farm Schönbrunn.

Fühlen Sie sich mit der City Farm Schönbrunn in Europa als Pionier?

Ja, das kann man so sagen. Den „Childrens Garden“, der in den USA üblich ist, den gibt es bei uns in der Art nicht – höchstens in kleineren Projekten. In diesem modernen Sinn, bei dem Gemüse als einzigartige Lebensmittelgruppe verstanden wird und das Potenzial der Gartenpädagogik voll ausgeschöpft wird, ist das schon ein wenig eine Pionier-Situation – vor allem im deutschsprachigen Raum. Die Geschichte des Ortes gibt uns hier noch zusätzlich Gewicht: Kaiserin Sissi hat hier bereits ihre Kühe weiden lassen. Das hilft uns, um zu unterstreichen, dass Gemüse schon eine Kostbarkeit ist und nicht einfach eine Beilage am Tellerrand.

Warum ist es wichtig, schon Kindern Gemüseanbau und -Vielfalt zu vermitteln?

Was man als Kind einmal umfassend erlebt hat, vergisst man ein Leben lang nicht. Man hat dann später auch keine Hemmschwellen – selbst, wenn das Wissen einmal einige Jahre verschüttet war. Jugendliche interessieren sich ja meistens nicht so sehr für Gemüse. Aber wenn man selbst eine Familie gründet, kommt das Interesse wieder. In der Großstadt haben die meisten Leute Angst zu beginnen, weil sie keine Fehler machen wollen oder unsicher sind. Deshalb setzen wir bei Kindern an.

City Farm Schönbrunn Gründer Wolfgang Palme erklärt im Freien was Kinder im Garten alles lernen können

Können Eltern dann auch etwas von ihren Kindern lernen?

Ja, unsere Erfahrungen zeigen das. Zum Beispiel, wenn wir im Frühling mit Wildkräutern Aufstriche machen. Das ist ganz einfach: Topfen, Rahm, ein paar frisch gepflückte Kräuter und fertig ist der Aufstrich. Wir haben schon öfters gehört, dass die Kinder das zuhause erzählen und nachmachen wollen. Das funktioniert am besten bei Gruppen, die regelmäßig kommen. Den Garten kann man nicht downloaden, sag ich immer. Den kann man nur durch das Selbermachen erschließen. Der Zugang zu Gemüse und zu Pflanzen führt übers Garteln.

Welches Vorwissen bringen die Kinder mit?

Das ist ganz unterschiedlich. Da spielen die Lehrer eine große Rolle und manche haben gute Vorarbeit geleistet. Es gibt auch Kinder, die das noch von ihren Großeltern kennen. Manchmal sind aber auch erschütternde Erlebnisse dabei.

Welche Erlebnisse sind das?

Zum Beispiel, wenn Kinder zwischen unseren Obstbäumen stehen und sagen: „Jetzt bin ich das erste Mal in einem Wald“. Manche Kinder haben auf nicht-asphaltierten Böden Probleme mit ihrer Balance. Oft ist auch unklar, dass Karotten unterirdisch wachsen, oder dass ein grüner Paprika einfach unreif ist.

Gibt es auch positive Überraschungen?

Manche Kinder finden sich ein Stückchen selbst im Garten. Ich erinnere mich an einen Buben, der ein Außenseiter und in den meisten Schulfächern nicht so gut war. Der war einfach ein praktischer Typ. Er hat angefangen mit der Grabgabel ein Beet umzustechen – gerade Buben brauchen oft diese körperliche Betätigung – und ist dabei über sich hinausgewachsen. Er hat eine praktische Begabung bei sich entdeckt. Im Klassenzimmer kommen manche Begabungen nicht so heraus.

Wie kann man diesen Bezug zur Natur und zu Gemüse auch daheim fördern?

Wir sagen immer: „Der kleinste Garten ist ein Topf“. Man kann auch im Fensterkistchen gut gärtnern.

Was eignet sich da?

Kräuter, Salate, Radieschen, Chili oder Balkontomaten eignen sich gut.

Kann man so aus einem Gemüsemuffel einen Gemüsetiger machen?

Die Erfahrung haben wir bei uns gemacht, ja. Lehrerinnen sind oft ganz überrascht, wenn ein bestimmtes Kind plötzlich eine Karotte isst. Wenn man Gemüse selbst erntet, hat man einen ganz anderen Zugang. Natürlich schmeckt auch bei uns nicht jedem Kind alles.

Gibt es bestimmte Gemüsesorten, die besonders gut ankommen?

Karotten sind ein ganz besonders pädagogisches Gemüse. Das liegt daran, dass ich auf der einen Seite nach ihnen graben muss. Das aus der Erde Holen und Putzen kommt sehr gut an. Schon der Erntevorgang ist ein Erlebnis. Paradeiser werden auch gerne genascht. Und einige spezielle Kräuter – zum Beispiel Sauerampfer – sind auch ein Highlight.

Wie kommen die Kinder zur City Farm Schönbrunn?

Meistens über die Klassenlehrer und nur sehr selten über private Gruppen. Ich habe auch viele Kontakte in der Fachwelt und so ist auch der Kontakt zu Gourmet entstanden. Solche Projekte wie mit Gourmet sind ausgezeichnet, um möglichst viele Kinder zu erreichen. Da kommen auf einen Schlag zehn Klassen und eine Kindergartengruppe, die vielleicht sonst nicht auf uns aufmerksam geworden wären.

Ab welchem Alter ist das Gartln mit Gemüse für Kinder interessant?

Wir gärtnern mit Kindern ab drei Jahren. Die Hauptzielgruppe sind aber Volkschulkinder – die sind am leichtesten zugänglich. Bei Jugendlichen ist das ein bisschen schwieriger.

Was passiert mit der Ernte der City Farm Schönbrunn?

Die Ernte dürfen die Kinder mitnehmen und manchmal wird das Gemüse auch hier zubereitet. Es ist schön für die Kinder, wenn sie daheim etwas herzeigen können. Manchmal wird die Ernte danach auch gemeinsam in der Klasse zubereitet.

Was war als Kind Ihr Lieblingsgemüse?

Ich erinnere mich auch sehr gut an die Karotten. Die schmecken ganz anders, wenn man sie frisch aus dem Boden zieht. Ich habe als Kind bei meiner Großmutter in der Steiermark Gemüse gegärtnert und Karotten waren eines der ersten Erfolgserlebnisse. Aber ich liebe Gemüse in seiner ganzen Breite und Vielfalt.

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